Chez Jolie Coiffure

Illegalisierte Selbstständigkeit in der Hauptstadt Europas: Rosine Mbakams „Chez Jolie Coiffure“ zeigt in einem intimen Portrait den Arbeitsalltag der seit sieben Jahren in Belgien lebenden Kamerunerin Sabine Amiyeme, deren regelmäßig von Polizeikontrollen heimgesuchter Frisörladen inmitten von Matongé gleichermaßen Zufluchtsort wie Faszinosum westlicher Tourist*innen ist.

Verweigert das Aufnahmeland die Aufenthaltsgenehmigung, bleibt in vielen Fällen nur der Schritt in die Illegalität. Chez Jolie Coiffure zeichnet ein intimes Portrait des Arbeitsalltages von Sabine Amiyeme, die trotz illegalisiertem Aufenthalt einen Friseursalon in Brüssel führt. Immer mit dabei ist Mbakams Handkamera, die das Treiben im winzigen Laden dokumentiert, ohne selbst einzugreifen. Gedreht auf 8m² Fläche im Spiel mit zahlreichen Spiegeln wird ein eindrucksvolles Portrait eines Mikrokosmos gezeichnet, dessen Außen nur über die Erzählungen greifbar wird.

Sabine Amiyeme hat vor sieben Jahren Kamerun verlassen, um im Libanon als Hausangestellte zu arbeiten. Als man ihr dort ihren Pass abnahm und sie unter ausbeuterischen Bedingungen ausnützte, flüchtete Sabine weiter über Syrien, die Türkei und Griechenland nach Belgien, wo sie im Viertel Matongé ihren alten Beruf als Frisörin wieder aufnahm. Ihren winzigen Laden betreibt sie seitdem immer noch ohne legale Aufenthaltsgenehmigung – Papiere bleiben ihr auch nach sieben Jahren verwehrt. Trotz der Furcht vor den regelmäßig durchgeführten Razzien der Einwanderungsbehörde, herrscht im Inneren des Beautyladens Entspannung und Offenheit. Fluchtgeschichten werden Sabine genauso anvertraut wie alltägliches Liebes- und Familiengeplänkel. Doch auch von anderen Besucher*innen wird Matongé seit Kurzem „heimgesucht“: Stadtführungen lassen Tourist*innen an Sabines Schaufenster vorbeiziehen und durch die Fenster gaffen.

Rosine Mbakam erinnert sich an ihre eigene Ungläubigkeit und Verwunderung, als sie in Matongé Zeugin dieser seltsam anmutenden Touren wurde.  Das war es unter anderem auch, was sie zu dem Filmprojekt bewegte:

„Ich wollte die Unsicherheit auf der einen, und die Neugier auf der anderen Seite darstellen, die Blicke und die Trennung zweier Welten. Was können wir erwarten von Menschen, die nur vorbeimarschieren und zuschauen, ohne jemals das Wort an jemanden zu richten? Die nur in ihrer touristischen Haltung bleiben?“ (Mbakam 2019)

Schließlich kam sie zurück, um denen, die stets nur beobachtet wurden, die Möglichkeit zu geben, sich auszudrücken und von ihren oftmals beschwerlichen Wegen und Traumata zu erzählen – Themen, die von der Gesellschaft oft übersehen oder verdrängt werden.

„Wir hoffen, mit diesem Film den Blick auf das Viertel zu verändern und die Herablassung zu brechen.“ (Mbakam 2019)

ROSINE MFETGO MBAKAM

Rosine Mfetgo Mbakam wurde 1980 in Kamerun geboren und begann in der italienischen NGO COE im Bereich Schnitt und Regie Dokumentarfilmerfahrung zu sammeln. 2003 fing sie an, audiovisuelle Inhalte für den TV-Sender STV (Spectrum Television) zu produzieren. 2007 verließ Mbakam Kamerun, um in Belgien an der INSAS Film zu studieren. 2018 gründete sie, zusammen mit Geoffrey Cernaix, Tândor Productions.

Credits

BUCH, REGIE: Rosine Mbakam.
KAMERA: Rosine Mbakam.
TON: Rosine Mbakam, Loïc Villiot.
SCHNITT: Geoffroy Cernaix.
MITWIRKENDE: Sabine Amiyeme.
PRODUKTION: Tândor Productions.
WELTVERTRIEB: WIP – Wallonie Image Production.
URAUFFÜHRUNG: DOK Leipzig 2018.
ÖSTERREICHPREMIERE: Crossing Europe 2019.

Weiterführende Literatur

  • Karin Tshidimba: „Chez Jolie coiffure“ éclaire l’intimité d’une combattante. La Libre Belgique, 2018. Link
  • Karin Tshidimba: „On espère que ce film va aider à changer le regard sur le quartier Matonge“. La Libre Belgique, 2018. Link
  • Lucy Shanker: ‚Chez Jolie Coiffure‘ tells a story of pain and triumph for African migrants in Belgium. Vox Magazine, 2019. Link